Sonntag, 25. Januar 2009

Der Ernst des Erasmuslebens

Hej!

Nachdem es ja auch einen "offiziellen" Grund für meinen Erasmusaufenthalt gibt, sollte ich vielleicht auch mal darüber schreiben. Es handelt sich dabei um ein Thema, über das alle Austauschstudentinnen und -studenten naturgemäß in etwa so gern sprechen, wie über Heimweh, Herpes oder Pensionsvorsorgeeinlagezahlungen. Die Rede ist natürlich von der Universität und es verhält sich hiermit, wie mit vielen anderen Dingen: Jeder machts heimlich und redets möglichst klein, weil er, wenn ers macht, es klarerweise nur ganz selten macht...*g*

Allgemeines über die KTH...

Auf der KTH Stockholm ist das Unileben ein bisschen anders strukturiert als im heimatlichen Österreich. Die "offizielle" Anwesenheitspflicht ist um ein vielfaches strikter und aufgrund der vergleichsweise familiären Atmosphäre in den Kursen fällt eine "inoffizielle" Abwesenheit halt schon mal schneller auf. Nachdem wir Erasmusstudenten aber alle miteinander ständig nur feiern und saufen und sowieso nie auch nur einen Strich lernen würden, bevor nicht die Prüfung einen Tag vorher ansteht, geht sowieso niemand auf die Uni - so weit mal die graue Theorie...
In der Praxis siehts dann wohl doch so aus, dass wie immer nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Für einen technischen Kurs bekommt man hier im Schnitt 7,5 ECTS, ein doch ziemlich attraktives Angebot, wenn man das mit österreichischen Kursen vergleicht. Dafür gibts aber dann auch ein bisschen was zu tun; mir scheint, dass es hier unterm Semester - so weit ich das jetzt nach einer Woche Uni schon sagen kann - vergleichsweise mehr Arbeitsaufwand als auf der TU gibt. Dennoch bzw. gerade deswegen meinen viele, die bereits ihr Auslandssemester in Schweden hinter sich haben, dass es ein faires Verhältnis von Arbeitsaufwand und Stundenertrag sei - ich werds euch sicher nochmal wissen lassen...
Die Kurse bestehen jedenfalls aus einem Vorlesungs- und einen Übungsteil, wobei es bei den Vorlesungen im Normalfall keine Anwesenheitspflicht gibt, und sie gehen im Schnitt über 7 Wochen, da ein Semester wiederum in zwei Perioden unterteilt ist. Somit sieht dann das Sommersemester, das heuer von 14. Jänner bis 27. Mai dauert, folgendermaßen aus:
  • Study period 3: Jan 14 - March 6
  • Exam period 3: March 9 - 14
  • Study period 4: March 16 - May 15
  • Exam period 4: May 18 - 20, May 25-27
Dazwischen gibts klarerweise Osterferien und Feiertage und sollte eine der Prüfungen schief gehen, kann das kurz nach der jeweiligen Prüfungswoche bei einem Wiederholungstermin ausgebessert werden.

Meine erste Kurswoche auf der KTH

Wie man sich nun denken kann, bedeuten kürzere Perioden und eine höhere Anzahl von ECTS klarerweise eine Unmenge von Blocklehrveranstaltungen innerhalb weniger Tage. Ein "normaler" KTH-Student, der üblicherweise keine Erasmusspäße wie Sprach- oder Kulturkurse absolviert, wählt daher zwei technische Kurse mit je 7,5 ECTS pro Periode. Als ich mir nun meinen Stundenplan für die dritte Periode zusammengestellt habe, wurde mir auf den ersten Blick ganz anders. Zwei technische Kurse ("Public Transport" & "Transport Modelling"), die ich mir für Wien als mein letztes fehlendes Modul anrechnen lassen werde und somit das Rückgrat meines Auslandsaufenthaltes bilden, ein Schwedisch- und ein Englischkurs sowie der allseits beliebte "Swedish Society, Culture and Industry in a Historical Perspective" (Film schaun, Museumsbesuche bei freiem Eintritt und eine Online"prüfung" von zuhause aus) haben mir dann folgenden Stundenplan für die erste Woche beschert:

Eine lange Woche 4...

Der erste lange Tag am Montag hat mich dann auch gleich zweifeln lassen: Geht sich das alles aus, ohne jeden Tag bis spät in die Nacht lernen zu müssen? Wo bleibt denn dann der Spaß?
Am Ende dieser ersten Woche sieht dann aber doch alles wieder nur mehr halb so wild aus. In den langen Blöcken sind immer auch ausreichend Pausen inkludiert, das akademische Viertel wird ausgiebigst gepflegt, die unfassbar lange 300 Wörter Zusammenfassung für Englisch umfasste dann doch nur eine dreiviertel Seite, beim unglaublich schweren Modellierungsprojekt für Transport Modelling gibts viele, viele betreute Übungsstunden und last but not least: Zum Fortgehen war auch noch ausreichend Zeit, nur der Schlaf ist vielleicht etwas zu kurz gekommen...
Ach ja und damits daheim nicht wieder heißt, "der Berni, der strebert immer nur", gibts hier den Stundenplan der 4. Periode zum Vergleich ;-)

Eine etwas kürzere Woche 14... ;-)

Somit wird die Periode 4 dann wohl auch einen Studienschwerpunkt "Erasmusaktivitäten & Reisen" bekommen, was ja aber auch gar keine so blöde Sache ist, wenn man an die klimatischen Verbesserungen ab dem Frühling denkt. Die erste Abschlussarbeit in dem Fach wird voraussichtlich über einen viertägigen Trip nach Lappland von 22.03. bis 25.03. handeln - ich werd sie dann zu gegebener Zeit hier veröffentlichen. Übrigens findet ihr zur Einstimmung schon ein paar der Lernunterlagen auf http://www.campalta.net/...

Ein erstes Fazit: "Leiwand"


Wenn ich mir nun also - trotz der relativ jungen und kurzen Eindrücke - ein erstes Fazit über die KTH bzw. ihre Kurse erlauben darf, so fällt es äußerst positiv aus.
Die kollegiale, familiäre Atmosphäre in den Kursen und der große Aufwand der seitens der Lehrenden betrieben wird, hat mich bis jetzt am meisten beeindruckt. Englisch auf hohem Niveau seitens der Lehrenden und der schwedischen Mitstudierenden ist hier tatsächlich Standard, was die hohe Anzahl der internationalen Studierenden (dieses Jahr sind es 1400 internationale Master- und Erasmusstudenten bei etwa 12000 Studenten insgesamt) wohl zum Teil erklärt.
Aber auch inhaltlich und organisatorisch haben sie hier einiges drauf: In beiden technischen Kursen gibt es für etwa 20 - 30 Studierende 5 Lehrende. Die Vorbereitung und Unterstützung etwa beim Modellierungsprojektes in Transport Modelling, wo wir in MATLAB ein stark vereinfachtes Verkehrsmodells Stockholms programmieren sollen, um die Auswirkungen der City Maut simulieren zu können, ist sensationell. Jeder der mit mir auf der TU das Projekt 2 und/oder Projekt 3 (durch)gemacht hat, würde staunen: Nix "Eigene Datenerhebung", nix "Des schätzen wir einfach", nix "Rufts halt irgendwo an", nix "Na, dann mach mas halt qualitativ" - da gibts echt vorbereitete Daten und Dateien und sogar einen klar strukturierten Zeitplan...! Und erst die Notengebung - da komm ich sowieso gleich ins Schwärmen! Machst mehr, kriegst eine bessere Note, machst weniger/hast weniger Zeit, dann halt eine schlechtere. Nachvollziehbar , transparent und (hoffentlich in der Realität auch) gerecht:

Notengebung auf Schwedisch für das Projekt in "Transport Modelling"...

Wenn ich da an die Plagereien in Wien zurückdenke, wo vorher immer recht fest mit der "5er-Keule" gewachelt wird, um dann im Endeffekt ganz komische (gewürfelte?) Noten zu vergeben...egal, das soll hier aber nicht das Thema sein.
Natürlich will ich auch nicht nur lobhudeln, man soll ja auch immer brav kritisch sein. Diese Art der Uni verlangt dann klarerweise solche Dinge wie regelmäßige Anwesenheit, Hausübungen oder Mitarbeit: mit einem Wort, das System ist hier ganz klar verschulter als in Österreich, und das muss man nicht automatisch positiv sehen.

Hoffe ich hab euch einen guten Eindruck vermitteln können, was sich bei mir normalerweise neben dem ganzen Kennenlernen, den Korridorpartys und dem Sightseeing so alles tut. Die nächsten Posts werden aber dann doch wieder von spaßigeren Dingen handeln - versprochen!

Mvh, Bernhard

PS: Ceterum censeo "E-Tec" esse delendam...

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